Yakam Dudes heißen die Figuren des sudanesischen Comiczeichners Yousuf Alamin. Im Zusammenspiel mit Alamins Manga-Zeichenstil klingt „Yakam“ fast wie ein japanisches Wort. Dahinter steckt jedoch nur die Abkürzung seines vollständigen Namens: Yousuf Alamin Khair Alamin Mohammed. „Der Name ist schon ziemlich alt“, sagt der Künstler lachend bei seinem Besuch in Berlin im November. Ständig neu sind dagegen die Zeichnungen, die der Künstler auf Instagram veröffentlicht. Seit Kurzem kann er sich darin auch kritisch mit der Politik seines Landes beschäftigen. Wir haben ihn bei der Buchvorstellung von „Sudan Retold“ getroffen, einem Sammelband, in dem 31 sudanesische Künstlerinnen und Künstler die Geschichte ihres Landes neu erzählen. Alamin ist darin mit zwei Kapiteln vertreten.
FANN: Eltern sind nicht gerade begeistert, wenn ihre Kinder Kunst machen wollen. In arabischen Ländern sagen sie dann oft sowas wie: Studier doch wenigstens Architektur! Wie haben Ihre Eltern reagiert?
Yousuf Alamin: Ich habe es ihnen nicht von Anfang an gesagt. Im Sudan zählt für die Familie nur das, was Geld bringt. Ich schätze, das ist überall auf der Welt so. Ich wuchs in Saudi-Arabien auf und kam 2008 zurück in den Sudan, um Bauingenieurwesen zu studieren. 2015 begann ich mit kleinen Kunstprojekten neben dem Studium Geld zu verdienen. Ein Jahr später brach ich mein Studium ab. Da meine Eltern in Saudi-Arabien lebten, musste ich ihnen das nicht direkt sagen. Erst, als sie mich besuchen kamen, verriet ich ihnen, dass ich nicht mehr studierte. Als ich ihnen zeigte, dass ich Geld mit meiner Kunst verdiente, haben sie es akzeptiert.

© Yousuf Alamin
FANN: Woher kommen die Ideen für Ihre Zeichnungen?
Yousuf Alamin: Meistens inspirieren mich persönliche Gefühle und Erlebnisse. Die Energie zum Zeichnen überkommt mich oft bei wahllosen Dingen: ein seltsamer Stein auf der Straße, ein auffälliger Stoff, ein Detail in einem Design. So entsteht oft der erste Funke einer Idee, die dann zu einer Zeichnung oder einem Layout wird.
FANN: Ihr Stil ist vom japanischen Manga-Stil beeinflusst. Was mögen Sie daran?
Yousuf Alamin: Ich kenne diesen Stil schon seit meiner Kindheit. In Saudi-Arabien haben wir Anime-Filme mit arabischer Synchronisation gesehen. Wir verstanden nicht, warum die in Japan Arabisch sprechen. Wir waren zu klein, um technische Details zu verstehen. Jedenfalls weckte das meine Neugier und ich forschte immer mehr über japanische Manga und Anime. Die Gesichtszüge der Figuren sehen zwar kindlich und übertrieben aus, aber die Szenen sind so eindrucksvoll, so perfekt gezeichnet, egal ob Action oder Drama. Darum liebe ich diesen Stil.

Yousuf Alamin bei der Buchvorstellung von Sudan Retold im SAVVY Contemporary Berlin, © Rhea Schmitt | Goethe-Institut Sudan
FANN: Wie aktiv ist die Comicszene im Sudan?
Yousuf Alamin: Sie ist noch sehr klein. Aber in den letzten Jahren tut sich etwas. Ich bin einer der Mitgründer von Art Kanoon, einem Comicheft, das mein Freund Ahmed Mahjoub gegründet hat. Wir haben bisher fünf Ausgaben veröffentlicht, an denen etwa 15 bis 20 Künstlerinnen und Künstler beteiligt waren. Seit 2018 steht die Produktion wegen der politischen Ereignisse und der schwierigen wirtschaftlichen Lage still. Die Arbeit ist sehr aufwendig und der Druck kostet viel. Ich hoffe aber, dass wir nach einer kurzen Pause zurückkommen und noch mehr Leute erreichen können.
FANN: Wer ist bisher das Publikum?
Yousuf Alamin: Comics werden immer noch als Kinderkram gesehen. Die Community ist daher sehr klein. 2018 veranstaltete Art Kanoon eine Comic-Con, um diese Community zusammenzubringen und sichtbar zu machen. Leider ging das nach hinten los. Wir leben in einer engstirnigen Gesellschaft, die Cosplay nicht versteht. Weil sich jemand als die böse Fee Maleficent mit Hörnern oder als Lady Killer mit Kunstblut verkleidete, dachten viele, wir würden den Teufel anbeten. In den sozialen Medien wurden so viele Falschinformationen und Vorurteile verbreitet. Einige der Veranstalter wurden sogar mehrmals von der Polizei verhört. Immerhin bekam die Comic-Con dadurch jede Menge Aufmerksamkeit.
FANN: Kann man im Sudan von der Comic-Kunst leben?
Yousuf Alamin: Nur von Comics wird man wohl keinen Monat überleben. Comics sind sehr zeitaufwendig, und im Sudan hat man selten so viel Zeit für sich. Außerdem gibt es kaum Kunden, die bereit sind, diesen Aufwand zu bezahlen. Ich arbeite als Grafikdesigner. Wenn ich mal zwei, drei Monate keine Aufträge habe, kann ich an meinen persönlichen Projekten arbeiten. Und wenn ich viel zu tun habe, lege ich sie beiseite.
FANN: Im letzten Jahr hat sich in der sudanesischen Kunstszene viel getan. Wie haben Sie das erlebt?
Yousuf Alamin: Die Kunstszene hat eine Art Wiedergeburt erlebt, nachdem sie in der Vergangenheit sehr von der politischen Lage eingeschränkt war. Man hatte vorher Angst, politische Kunst zu machen. Ich will ja nicht, dass meine Website gesperrt wird, die Polizei mich verhört, oder dass meiner Familie etwas passiert. Doch die Menschen wollen nicht länger schweigen. Sie wollen fotografieren, dichten, malen – irgendwie gegen das Regime laut werden. Plötzlich ist es möglich, sich kritisch zu äußern, und alle spüren den Drang, kreativ zu werden.

© Yousuf Alamin
FANN: Was veränderte sich für Sie persönlich?
Yousuf Alamin: Auch ich habe Grenzen überwunden. Vorher traute ich mich nicht über politische Themen zu zeichnen. Eines meiner neuesten Projekte sind Zeichnungen von Voodoo-Puppen, die Angehörige des gestürzten sudanesischen Regimes darstellen: Omar al-Bashir, Hassan al-Turabi und der Rest der Bande. Ich habe sie als niedliche Voodoo-Puppen gezeichnet, in denen Nadeln stecken. Damit wollte ich eine offene Frage an die Menschen stellen: Wenn ihr Schicksal in euren Händen läge, was würdet ihr tun?

Deutsche Journalistin und Übersetzerin.