Nachdem im Königreich Jordanien im Frühjahr wegen der schlechten Wirtschaftslage zahlreiche Proteste ausgebrochen waren, wurde im Juni die alte Regierung ab- und eine neue eingesetzt. Als die Namen der neuen Ministerinnen und Minister bekannt gegeben wurden, brach in der Bevölkerung Verwunderung aus: Zum ersten Mal war man nicht nach dem gewohnten Muster vorgegangen, sondern hatte mehrere junge Männer und so viele Frauen wie noch nie seit der Staatsgründung 1946 ins Kabinett berufen. Eine von ihnen ist Basma al-Nsour, die nun das Amt der Kultusministerin innehat. Al-Nsour wurde 1960 in der Stadt Zarqa geboren und ist in erster Linie Schriftstellerin. Außerdem publiziert sie zu Kulturthemen und interessiert sich für Film und Kino. Anders als viele Personen im Ministeramt findet sie weiterhin Zeit zum Lesen.
Wir haben Basma al-Nsour in ihrem Büro in Amman getroffen. Da im Sommer eine hitzige Debatte um frühere, aus dem Kontext gerissene Aussagen al-Nsours entbrannt war, hat man uns während des Interviews Ahmad al-Aun, Büroleiter al-Nsours und Pressesprecher des Ministeriums, zur Seite gestellt.
FANN: Zu Beginn Ihrer Karriere waren Sie als Anwältin tätig. Wie sind Sie zur Literatur gekommen?
Basma al-Nsour: Die Literatur war von Anfang an Teil meiner Persönlichkeit. Mein Vater war ein begeisterter Leser und wann immer ein neues Buch erschienen ist, wollte ich es lesen. Zu Grundschulzeiten habe ich bereits Texte geschrieben und beim Morgenappell vorgetragen. In der Sekundarstufe hatte ich einen Großteil der russischen Literatur gelesen und war bei Nagib Mahfouz angekommen. Lesen führt automatisch zum Schreiben, sofern das nötige Talent da ist.

Kultusministerin Basma al-Nsour in ihrem Büro. © Ammar Alshuqairi
FANN: Was lesen Sie zurzeit?
Basma al-Nsour: Ich finde immer noch Zeit zum Lesen, wenn auch wenig. Derzeit lese ich alles, was ich aus der Anthologie Geheimer Regen des Lyrikers Zuhair Abu Chaib finden kann. Ich liebe die Lyrik von Zuhair, die existenzielle und philosophische Komponente seiner Gedichte.
FANN: Sie wurden in eine Regierung berufen, die – so glauben manche – das Wohl „des ganzen jordanischen Volkes“ im Auge habe. Welche neuen Projekte wollen Sie angehen?
Basma al-Nsour: Das Kultusministerium ist eminent wichtig und ich bin von seiner aufklärerischen Funktion überzeugt. Eines unserer neuen Projekte ist ein mobiles Theaterlabor. Geplant ist eine Tournee durch zwölf jordanische Bezirke, bei der Regisseur Hakim Harb und verschiedene Ministeriumsmitarbeiter neue Talente entdecken sollen. Dabei kooperieren wir auch mit dem Bildungsministerium. Das Projekt gab es vorher schon, aber die Idee ist nun, es von Grund auf zu erneuern, um die junge Generation als Mitbürger anzusprechen und nicht in der Sprache von Hass, Gewalt und Zerstörung.
In den letzten Jahren wurde Jordanien von mehreren Terroranschlägen erschüttert. Gleichzeitig wird das Land bezichtigt, Terroristinnen und Terroristen die Einreise nach Syrien zu ermöglichen. Dies führte zu einer Debatte um die Rolle des Königreichs in der Extremismusbekämpfung.
FANN: Wenn in Jordanien die Rede vom Kultusministerium ist, nennt man häufig im selben Atemzug die Bekämpfung terroristischen Gedankenguts. Bis vor kurzem war die Extremismusbekämpfung in Ihrem Ministerium verortet, nun liegt sie beim Premierminister. Was ist Ihre neue Rolle?
Basma al-Nsour: Das Büro für Extremismusbekämpfung wurde zuerst ins Hauptquartier der Regierung verlegt. Das Kultusministerium ist ein weiteres Element in der Gleichung. Es schafft keine Kultur, sondern pflegt sie. Auf dieser Grundlage fördern wir eine Kultur des Dialogs und wenden uns an alle jordanischen Bürger – nicht nur in Amman, sondern auch in den anderen Bezirken des Königreichs. Wir wollen Foren für Literatur und Kunstausstellungen aufbauen, die das ganze Land miteinbeziehen. Die Arbeit läuft mehrgleisig und will den staatlichen Zentralismus überwinden.
FANN: Was tut das Kultusministerium konkret, um Extremismus zu bekämpfen?
Basma al-Nsour: Wir arbeiten zusammen mit dem Bildungsministerium an einer Evaluierung der Schullehrpläne. Ziel ist es, der jungen Generation zu ermöglichen, ihre Fähigkeiten frei von negativen Werten zu entwicklen, denn Kunst in all ihren Formen befreit den Geist. Im Rahmen eines Projektes z.B. bringen wir in Zusammenarbeit mit der Direktion für nationale Sicherheit Theater in Gefängnisse und in Reform- und Bildungszentren. Außerdem organisieren wir Workshops, z.B. zu kreativem Schreiben und bildender Kunst, um die Menschen im Gefängnis zu erreichen, die extremistischem Gedankengut ausgesetzt sind. Darüber hinaus fördern wir Projekte mit Jugendlichen, die sich potenziell für extremistisches Gedankengut interessieren könnten.
FANN: Historisch kommt Kultur und Sport die Rolle zu, einen politischen „Nebenschauplatz“ zu schaffen, auf dem sich verbündete, aber auch verfeindete Staaten treffen können. So begegnen sich z.B. Sportlerinnen und Sportler aus Staaten, die keinerlei diplomatische Beziehungen unterhalten, bei internationalen Wettkämpfen. Ist auch die Kulturarbeit von zwischenstaatlichen Beziehungen abhängig oder ist sie nur ein kleiner Nebenschauplatz abseits der politischen Lage in der Region?
Basma al-Nsour: Als Kultusministerin bin ich natürlich Teil der Regierung, die die politische Ausrichtung Jordaniens bestimmt. Wir sehen aber keine politische Einmischung in kulturelle Angelegenheiten. Wir sind weltoffen und über andere Kulturen gut informiert. Die Frage ist doch: Was weiß die Welt über arabische Kultur im Allgemeinen und jordanische Kultur im Speziellen? Nicht mehr als das, was die Medien verbreiten (Mahmud Darwish und Nagib Mahfouz).
Unter den Botschaftern, die Kultusministerin Basma al-Nsour in den letzten Wochen empfangen hat, waren Vertreter Frankreichs, der Türkei, Großbritanniens und Zyperns. Kooperationsabkommen wurden u.a. mit der Türkei unterzeichnet.
FANN: Was war das Thema Ihrer Gespräche mit den Botschaftern nicht arabischer Länder?
Basma al-Nsour: Wir haben über Kultur jenseits von Stereotypen gesprochen. Die arabische Welt wird oft durch eine orientalisierende oder exotisierende Brille wahrgenommen. Wir versuchen, moderne Perspektiven zu vermitteln, abseits der Märchen aus tausendundeiner Nacht und der ständigen Verbindung von Terror und Islam. Übersetzung ist von grundlegender Bedeutung, um westliche Leser anzusprechen. Daher planen wir, in Kooperation mit einer amerikanischen Universität vier jordanische Romane zu übersetzen.
In letzter Zeit haben sich viele jordanische Intellektuelle über die eigene Marginalisierung im Land beklagt. In den sozialen Netzwerken machten Geschichten jordanischer Intellektueller die Runde, die unter Armut und Arbeitslosigkeit leiden.
FANN: Was kann Ihr Ministerium für diese Autorinnen und Autoren tun?
Basma al-Nsour: An uns herangetragen wurden Fälle verdienter Autoren, die in einer schwierigen Lage sind. Deshalb wird es bald ein Treffen mit der Ministeriumskommission geben, um ein Gesetz zur Schaffung einer Kulturkasse zu erarbeiten. Es ist uns sehr ernst damit, Intellektuelle über eine derartige Sozialkasse zu unterstützen.
Erschwert wird das durch den Sparkurs, den die Regierung dem Königreich wegen der schlechten Wirtschaftslage aufgebrummt hat. Die neuen Ministerinnen und Minister dürfen ihre Dienstwagen beispielsweise nur noch bei dienstlichen Anlässen und nicht für Privatfahrten einsetzen.
FANN: Wie wirken sich die Budgetkürzungen auf die Arbeit Ihres Ministeriums aus?
Basma al-Nsour: Wir haben eine Erhöhung unseres Budgets beantragt, aber die Regierung bleibt bei den Kürzungen. Das fängt, wie Sie wissen, schon bei den Ausgaben für die Minister und deren Dienstfahrzeuge an. Mein Ministerium ist Teil des Ministerialrates und deshalb an diese Beschlüsse gebunden. Wir haben aber trotzdem eine Ausnahmeregelung beantragt, denn die Kürzungen wirken sich natürlich auf unsere Projekte aus. Wir sind auch mit dem Privatsektor in Verbindung, um neue Kooperationen anzustoßen.
Übersetzung: Benedikt Römer

Jordanischer Schriftsteller.