Unter dem Titel „Tashweesh“ (arab. für „Störung“) haben mehr als 20 Künstlerinnen und Akademikerinnen aus dem arabischen und europäischen Raum das Goethe-Institut in Kairo fünf Tage lang in einen experimentellen Raum verwandelt. Ihr Ziel war es, sich in theoretischen und praktischen Formen des Feminismus (z.B. in Film, Theater, oder Lyrik) zu üben. „Tashweesh“ sollte eine Alternative zur männlichen Hegemonie im Kunstbereich sein und die Entwicklung transregionaler Netzwerke feministischer Zusammenarbeit ermöglichen.
Laut Dr. Elke Kaschl-Mohni, Institutsleiterin des Goethe-Instituts Kairo und Regionalleiterin Nordafrika/Nahost, sei „Tashweesh“ aus dem Bewusstsein heraus entstanden, dass Feminismus nicht nur eine Stimme habe. „Deshalb haben wir ‚Tashweesh‘ gestartet, um unterschiedliche feministische Stimmen zusammenzubringen, einen Diskussionsraum zu schaffen und feministisches Wissen und feministische Erfahrungen auszutauschen, z.B. durch Theateraufführungen, Dialoge, Vorträge, Lesungen, Filme, Ausstellungen und Konzerte.“
Im internationalen Austausch über Feminismus
Dana Alawneh, die Projektkoordinatorin von „Tashweesh“, fügt hinzu: „Die Idee wurde vor zwei Jahren in einer Reihe von Meetings zwischen den Goethe-Instituten in Kairo und Brüssel geboren. Im Juli 2017 haben wir einen Dialog zwischen Feministinnen, Künstlerinnen und Akademikerinnen organisiert. Das war ein großer Erfolg, denn wir haben viele wichtige Ideen über Feminismus ausgetauscht.“ Das Programm sei das Ergebnis einer langen Zusammenarbeit mit Personen und Institutionen in Europa und dem arabischen Raum. Dazu gehörten Ikhtiyar in Ägypten, Shufthun in Tunesien, das Missy Magazin in Deutschland, die Kuratorinnen Nedjma Hadj Benchelabi und Stefanie Schulte Strathaus, die Organisation „Madar für zeitgenössische Fotografie“ und die die Cimatheque in Kairo.

Dana Alawneh, die Projektkoordinatorin von „Tashweesh“. © Goethe Institut Kairo
„Tashweesh hat zum Ziel, sich transregional und interdisziplinär mit Genderthemen zu befassen. So soll Wissen über feministische Fragen ausgetauscht und ein Raum für künstlerische Strategien geschaffen werden“, meint Alawneh. Der Name der Veranstaltung sei aus dem Versuch entstanden, den Status quo zu stören: Wie denken Frauen über ihre Rechte? Wie denkt die Gesellschaft über Gender? Wie können wir das traditionelle Bild von Frauen, Gender und die Art, wie Frauen dargestellt werden, ändern? „‚Tashweesh‘ will stören, um zum Nachdenken anzuregen.“
Die totale Alternative zum männlich dominierten Kulturbereich
„Die Kunst ist einer der Bereiche, der historisch von Männern beherrscht wurde“, meint Dana Alawneh und zählt auf: „Das Kino ist eine patriarchale Industrie. Die Mehrheit der Festivals und Kulturinstitutionen werden von Männern betrieben. Fast alle Redner bei Kulturveranstaltungen sind Männer. Als ob Frauen nicht existieren würden oder nichts zu sagen hätten!“ All das sei normal in der Gesellschaft. „Tashweesh“ hingegen präsentiere die totale Alternative. „Alle Künstlerinnen, Akademikerinnen und Teilnehmerinnen sind Frauen. Die einzige Ausnahme stellt ein Theaterstück von Ali Chahrour dar.“
An dem unausgeglichenen Status quo seien jedoch nicht nur die Männer Schuld: „Manche Fragen tragen dazu bei, patriarchale Denkmuster weiterzutragen, z.B. wegen des starken Einflusses ihrer Gesellschaft oder wegen der patriarchalen Prägung ihres eigenen Bewusstseins. Deshalb will ‚Tashweesh‘ traditionelle Ideen grundsätzlich in Frage stellen.“ Das sei aber nicht immer leicht, da der Feminismus bei vielen einen schlechten Ruf habe: „Feministinnen bringen das patriarchale Denksystem in Gefahr und deshalb gibt es Künstlerinnen, die Angst davor haben, so bezeichnet zu werden. Stattdessen betonen sie, dass sie die Menschenrechte verteidigen. Vielleicht haben sie auch Angst, in eine Schublade gesteckt zu werden und ihre Filme nur auf Frauenfilmfestivals zeigen zu können. Sie wollen ihre Werke verbreiten, ohne in diese Kategorien gesteckt zu werden“, meint Alwaneh.
„Viele Leute denken nur an Bauchtanz“
Wie die einzelnen Programmteile kuratiert wurden, erzählt Nedjma Hadj Benchelabi, die für die Auswahl der Performances verantwortlich war: „Wir haben nicht gesagt: ‚Mach eine Performance über Frauen, damit wir das zeigen können.‘ Stattdessen haben die Künstlerinnen ihre Einschätzung, wie es heute um die arabische Frau steht, auf indirekte Weise vorgestellt. Das zwingt das Publikum dazu, durch Tanz, Theater und Lyrik unterschiedliche Interpretationen wahrzunehmen.“
Auf die Frage, wie kompliziert es für Frauen in der arabischen Welt sei, sich als Künstlerinnen durch Tanz auszudrücken, da dieser auch sehr klischeebehaftet sei, antwortet Belchelabi: „Ich denke, die Künstlerinnen (im Programm von„Tashweesh“, AdR) drücken durch ihre Körper die politische und gesellschaftliche Realität auf eine moderne Weise aus. Trotzdem denken viele Leute bei ‚Tanz‘ weiterhin nur an ‚Bauchtanz‘. Sie nehmen nicht wahr, dass der Körper ein künstlerisches Ausdrucksmittel geworden ist, genau wie Film und Lyrik.“ So untersuche z.B. die Performance „Heroes“ von Khouloud Yassin die Beziehung zwischen Körper und Autorität.

Nedjma Hadj Benchelabi hat die Performances kuratiert. © Goethe Institut Kairo
Neben „Heroes“ gabe es bei „Tashweesh“ viele weitere Performances zu sehen. So stellte beispielsweise die palästinensische Sängerin Huda Asfour ihr neues Album „Kouni“ vor, das ihre komplexe musikalische Identität und Erfahrung abbildet. Huda hat eine Sammlung von Liedern produziert, die traditionelle Definitionen, Grenzen und Formen zerstört. Eines ist sicher: Niemand wird „Tashweesh“ so verlassen, wie er oder sie die Veranstaltung betreten hat. Ideen und Gedanken werden gestört. Der nächste Schritt ist es, selbst Verantwortung zu übernehmen.
Übersetzung: Ibrahim Mahfouz